Der Freischütz liegt am Ziegenmarkt mitten in der Schelfstadt. Vor 1900 stand an gleicher
Stelle schon mal ein Wirtshaus. Um die Mitte des 18. Jahrhundert befand sich in den Nebenräumen
dieser Gastwirtschaft eine „Freischule für arme Mädchen“. Das heutige Gebäude wurde dann um 1903
von dem Restaurateur H. Schwenn, der Bauherr und Betreiber der Gaststätte war, fertig gestellt
und von Anfang an befand sich in den unteren Räumlichkeiten die Gaststätte „Zum Freischütz “.
Woher der genaue Name kommt, konnten wir bei unseren Recherchen nicht eindeutig klären.
So wird von einigen Älteren erzählt, dass sich in der Gaststätte einst eine Freimaurerloge befand,
in der sich die Rosenkreutzer trafen, ein geheimer Bund (Bruderschaft) mit theosophischer, alchimistischer Richtung.
Noch heute befindet sich die Treppe zu dieser Loge im Freischütz, die allerdings ins Leere führt
und oft von verliebten Pärchen als abgeschiedenes Örtchen genutzt wird, da sie sehr dunkel und separat liegt.
Andere sehen den Ursprung des Namens auch in der musikalischen Vorliebe des H. Schwenn für die
gleichnamige Oper von Carl Maria von Weber, in der sich ein junger Mann aus Liebe verführen
lässt und dem Teufel seine Seele verkauft. Sterben wird in der Oper allerdings der Verführer.
Auch Schwenn stürzt im ersten Weltkrieg, selbst betrunken die Treppe hinunter und bricht sich das Genick.
Die Gaststätte sollte von nun an eine Frau (Erna Lange, geb. Brügmannn) führen. H. Schwenn
baute immer wieder um und dazu. So entstand auch ein großer Saal, aus dem man in einen der
ältesten und schönsten Biergärten der Stadt hinaustrat, wie die Älteren noch zu berichten wissen.
Leider gehört der Saal und der Garten heute nicht mehr zu dem Grundstück Ziegenmarkt 11.
Nach dem 2. Weltkrieg beschloss die Landesleitung der SED, in den hinteren Räumen
des Freischütz den ersten Volkseigenen Betriebskindergarten der Stadt zu
öffnen. Die damalige „Unitas“ – Zigaretten- und Rauchtabakwarenfabrik,
zum Volkseigenen Betrieb umgewandelt, und die Volkseigenen Kleiderwerke betreuten
hier nun die Kleinsten ihrer Mitarbeiter.
Nach dieser Übergangslösung wurden der Saal und der Freischütz
als Fachschulmensa genutzt. Auch die umliegenden Schulen bekamen hier, in den
50-er Jahren, ihre Schulspeisung. Dann wurde es erst mal ruhig um den Schützen.
Die üblichen Plünderungen von leerstehenden Gewerbeobjekten machten
auch vor dieser Gaststätte nicht halt. So zieren heute wohl die bleiverglasten
Fenster mit Freischützmotiven irgend eine Datsche.
1988 dann endlich, wagte sich die Familie Adler daran, diese Gemäuer wieder
zu beleben. Als Kommissionsgaststätte mit 28 Sitzplätzen wieder eröffnet,
wurde der Schütze dann ein kleiner Geheimtip für gute Speisen. Nach
der Wende fanden Adlers dann andere Betätigungsfelder für sich. Zwei
Jahre lang suchten sie neue Pächter für ihre Gaststätte. 1994 sahen
die heutigen Pächter ihre Chance, eine Kneipe nach ihren Vorstellungen zu
eröffnen. Geplant waren drei Monate Umbau und Restaurierung.
Die Zeit war knapp bemessen, und so wurde Heiligabend (der eigentliche Eröffnungstermin)
auf der Baustelle gefeiert.150 Neugierige zog es in den Schützen, zwischen
Zementsäcken und Farbeimern. Nach weiteren drei Monaten war der Schütze
dann fertig und das Geld alle.
Zur Eröffnung gab es Tische, aber keine Stühle. So bekam jeder, der
einen alten Holzstuhl mitbrachte, an diesem Abend Freibier. An die 100 Stühle
kamen so zusammen. Zuweilen hört man auch heute noch, wenn einer dieser altengedienten
Stühle seinen Geist aufgibt und unter der Last der vielen Gäste zusammenbricht.
Eine Freischütztaufe der besonderen Art.
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